Erzähl doch mal…

Viel zu Schade für die Schublade

An dieser Stelle möchten wir unsere Museumsgäste zu Wort kommen lassen. Wenn Sie hier gelebt oder häufig in Ferien waren, kramen Sie in Ihren Erinnerungen! Wie war das damals? Was hat sich verändert? Was ist ihr ganz persönliches Inselerlebnis? Gibt es Inselgeschichten, die sie gerne mit uns teilen möchten? Wir freuen uns auf Ihre Zusendungen.

Inselmuseum zur Geschichte von Juist in der Nordsee
Winter auf Juist von U. Gressmann

Von Katsteerten und Kettenkriegen

Als ich ein Kind war, da bin ich mir ganz sicher, ist der Hammersee auf Juist jedes Jahr im Winter zugefroren. Kaum war das Eis fest genug, schwangen wir Kinder uns aufs Rad und strampelten mit unseren Schlittschuhen auf dem Gepäckträger los, Richtung Westen, zum Hammersee.
Dort angekommen rauchten wir zuerst ein paar Züge Katsteerten.
Katsteerten, Katzenschwänze, nannten wir die festen Rohrkolben im Schilf. Wie sie geschmeckt haben? Ich kann es nicht mehr sagen; wahrscheinlich scheußlich, aber es gehörte einfach zum Schlittschuhlaufen dazu, diese zu rauchen.
Eiskalt pfiff der Ostwind, das Eis auf dem Hammersee war spiegelglatt und sah fast schwarz aus. Manchmal knisterte und knackte es weit vom Ufer entfernt.
Im Eis einzubrechen war nicht so schlimm wie es sich vielleicht anhört. Wir fuhren zumeist im Uferbereich Schlittschuh und dort war das Wasser nicht tief. Man konnte immer noch stehen, und dann waren ja auch die anderen Kinder da, zum Rausziehen. Allerdings: Durch den eisigen Wind sind die nassen Kleidungsstücke sofort gefroren und dann sieben Kilometer auf dem Fahrrad zurück radeln – das hört sich ungemütlich an und ist es auch. Ich habe es ausprobiert.

Winter auf Juist von U. Gressmann

Über Todesbahn und Gummi-Eis

Der Goldfischteich lag etwas näher für uns im Osten der Insel und bot noch mehr Vergnügen beim Schlittschuhlaufen. Um die kleinen Inselchen herum konnte man fabelhaft Kettenkriegen spielen. Bis zum Einbruch der Dunkelheit sausten wir dahin. Hatten wir Durst, hackten wir einfach mit dem Schlittschuh ein Loch ins Eis, pressten den Mund darauf und tranken das Wasser. Niemand bekam Bauchschmerzen davon, schon deshalb nicht, weil es uns verboten war,
Wasser aus dem Goldfischteich zu trinken.
Hatte es gefroren und geschneit, fuhren wir mit den Schlitten die Dünen zum Strand hinunter. Der gefrorene Sand war hart wie Beton und es genügte eine dünne Schneeschicht, um darauf fahren zu können. Am besten band man dazu
drei oder vier Schlitten hintereinander. Das gab Schwung! Wer die Kufen ordentlich glatt geschmirgelt hatte, konnte es bis ans Wasser hinunterschaffen.
Die „Todesbahn“ von der Strandpromenade bis hinunter zum Haus Doyen auf der Straße hinunter zu fahren, trauten sich nur die mutigsten Jungen, denn dort stand eine Straßenlaterne im Weg und die galt es zu umfahren – das schaffte nicht jeder ohne eine tüchtige Beule.
Ein besonderes Vergnügen war das Gummi-Eis im Wattenmeer. Salzwasser gefriert ja nicht so fest. Es bleibt weich und biegsam. Im Watt blieb
bei Ebbe das Eis zurück und auf dieser weichen, aber festen Eisfläche konnte man um die Wette mit dem Schlitten fahren. In die Spitze eines festen Stockes wurde dazu zum Abstoßen ein Nagel eingeschlagen und los ging es. Besonders geschickte Jungen befestigten ein kleines Segel auf dem Schlitten und dann sorgte der Wind für den nötigen Schwung.

Die Autorin dieser Geschichte ist Ursula Gressmann. Sie wurde im September 1945 auf Juist geboren und hat bis 1962 dort gelebt. Sie schreibt Kinderbücher und hat nun auch ihre Kindheitserinnerungen zu Papier gebracht. „Winter auf Juist“ ist ein Ausschnitt daraus.

Inselmuseum zur Geschichte von Juist in der Nordsee